Eine Reise nach London scheint für Astronomie-Begeisterte nicht unbedingt die erste Wahl, hat die britische Hauptstadt doch mit Sicherheit den am stärksten aufgehellten Nachthimmel Großbritanniens. Doch am Rand von London in Greenwich liegt eine der bedeutendsten Forschungstätten der Astronomie, das Greenwich Royal Observatory.
Greenwich Royal Observatory: Der Nullmeridian
Am Rand von London liegt die Königliche Sternwarte. Bekannt ist sie vor allem, weil nach internationaler Konvention der Nullmeridian genau durch die Mitte des Gebäudes verläuft.
Eine Linie auf dem Hof sowie ein grüner Laser bei Dunkelheit zeigt den Verlauf des “Prime Meridian” an. Wer möchte, kann mit einem Bein auf der West- und mit dem anderen Bein auf der Osthalbkugel der Erde stehen.
Flamsteeds Lebenswerk und das “Longitude Problem”
1675 ließ der “Astronomer Royal” John Flamsteed im Auftrag des Königs eine Sternwarte auf dem Hügel errichten. Flamsteed arbeitete hier an seinem berühmten Sternkatalog, dessen Benennungsystem (“61 Cygni”) auch heute noch Anwendung findet. Das Ziel war allerdings nicht in erster Linie astronomische Wissenschaft, sondern eine sehr praktische Fragestellung: Das “Longitude Problem”. Für eine Seefahrt-Nation wie Großbritannien war die präzise Navigation auf hoher See eine Angelegenheit höchster Priorität. Die geographische Breite (Nord-Süd-Position, “Latitude” ließ sich einfach durch Beobachtung des Sonnenstands ermitteln.
Die genaue Bestimmung der Länge (Ost-West-Koordinate, “Longitude”) erwies sich jedoch als sehr schwierig. Um dieses Problem zu lösen, verfolgte man zwei verschiedene Ansätze: Die Zeitmethode, die auf dem Vergleich der Ortszeit mit der Zeit an einem bekannten Ort beruht und eine sehr genaue Uhr erforderte, und die die Astronomische Methode. Sie bestimmt die Position anhand astronomischer Gegebenheiten, was einen hochpräzisen Sternkatalog nötig machte – Flamsteeds Lebenswerk “Historia coelestis Britannica”. Flamsteed arbeitete jahrzehntelang an seinem Werk und verfeinerte die Messungen immer mehr. Doch nicht alle Zeitgenossen hatten soviel Geduld: 1712 wurde unter dem Einfluss Isaac Newtons eine vorläufige Version des Sternkatalogs ohne Flamsteeds Zustimmung veröffentlicht. Flamsteed war außer sich und gab ein Vermögen aus, um alle gedruckten Exemplare aufzukaufen, und verbrannte sie öffentlich vor der Sternwarte. Seine eigene Version wurde erst 23 Jahre später, nach seinem Tod, veröffentlicht.
Teleskope
Natürlich sind in der Sternwarte eine Reihe historischer Teleskope zu besichtigen. Im Inneren kann es unter anderem einTeleskop von Flamsteeds Nachfolger Edmond Halley sehen. Im Außengelände findet sich der Überrest des ehemals größten Teleskops der Welt. 1787 ließ der Astronom und Musiker William Herschel nahe seines Wohnortes Slough ein mächtiges Spiegelteleskop mit einer Tubuslänge von 12 Metern errichten. Ein gewaltiger Metallspiegel bildete das Herzstück des Instruments. Leider erwies sich das Gerät sich als sehr schwierig in der Handhabung, so dass es schließlich wieder demontiert wurde.
Doch auch an moderne Beobachter ist gedacht. Obwohl Greenwich heute in der Lichtglocke Londons liegt, wird auch heute noch Astronomie betrieben. In der Kuppel über der Sternwarte befindet sich ein mächtiger 28″ Refraktor. Er ist mit moderner Computersteuerung ausgestattet, und Interessenten können sogar Beobachtungszeit buchen. (Wer möchte: http://nmm.ac.uk/observing )
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